Soeben habe ich der Live-Übertragung der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels gelauscht. Ich komme selten dazu, doch jedesmal, wenn ich über diesen Friedenspreis stolpere, denke ich, was für ein hochkarätiger, wichtiger Preis und was für tolle Preisträger das sind! Preisträger, die es wert sind, gehört zu werden. Nicht blindlings - das war nie die Absicht oder Tradition dieses Preises -, sondern nachdenkend.
Hier die
Liste aller Preisträger:innen, samt den Reden dazu und allem was so dazugehört. (Schön gemachte Website.)
Dieses Jahr ist der Preis an Anne Applebaum verliehen worden. Die Laudatio hielt Irina Scherbakowa, die einiges aus den Zuständen in Russland und auch der Ukraine erzählte. Sie war Mitglied von
Memorial, einer Menschenrechtsorganisation, die 2022 in Russland aufgelöst wurde. Kurz vor ihrer Auflösung zeigte diese Organisation einen kritischen Film in ihrem Saal. Nach ein paar Minuten wurde der Saal von etwa 40 Männern gestürmt, die vor die Leinwand liefen und Parolen skandierten. Die Organisation rief die Polizei zu Hilfe, doch die stand den Skandierenden bei.
Das kam mir bekannt vor. Nicht dass unsere Polizei heute so agieren würde. Nein, ich dachte zurück an braune Vergangenheit.
Dem "bekloppten" (harmloses Wort) Zeug nach, das ich (und nicht nur ich) mit meinem Vater erlebt habe, dann wurden damals (politische) Gegner von der Gestapo gejagt und die Gejagten suchten Schutz bei der Polizei, zeigten sich gar selbst an.
Mein Vater hat wirklich nie begriffen, mit was für Gesocks er sich eingelassen hat. Immer mal wieder setzt sich für mich ein Mosaikstückchens des Verstehens zusammen und ich bin erschüttert.
Was heisst das nun für mich? Lange Zeit wollte ich einfach nur meine Ruhe. Ich habe seit 2017 schönen Frieden (Weihnachten 2016 hat meine schlimme Schwägerin zum letzten Mal ausgetickt), aber ich weiss nicht, worauf der gebaut ist. Sicher, Frieden ist was schönes, aber was, wenn er auf tönernen Füssen steht? Könnte doch sein, oder?
Zudem gingen die Umtriebe weit über meine Kernfamilie hinaus. Siehe meinen Artikel zur Uni Ulm (irgendein Vollpfosten, vllt auch mehrere, hatten mir meinen Vater, mit dem ich nichts zu tun haben wollte, hierher zu mir nach Heidelberg und die Hochschule geschickt). Wieso schaut da niemand, wie es mir geht? Wieso entschuldigt sich keiner, warum stellt keiner was klar, wieso redet keiner mit mir? Erreichbar bin ich. Und vom Nicht-miteinander-Reden wird einfach nichts gut. Das ist ein Grundsatz: Vom Nicht-miteinander-Reden wird nichts gut.
Es muss doch möglich sein, miteinander zu reden, noch dazu nach so langer Zeit, in der vieles bedacht werden konnte.
Gestern und vorgestern habe ich eine schöne Doku angesehen (sie wurde vom hr in Auftrag gegeben), in der ganz unterschiedliche Leute aus Hessen an zwei Tagen zu unterschiedlichen Themen miteinander diskutierten (
Film,
Trailer).
Und wiederum denke ich: Ich werde mehr nachfragen, mehr hinterfragen. Gerade bei den "familiären" Sachen, aber auch bei anderen. Nicht zu schweigen, nur weil der andere nicht nachdenken möchte. Doch es muss nachgedacht werden!